Haus- und kinderärztliche Versorgung in den Stadtteilen stärken

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen

haus- und kinderärztliche Praxen sind in Hamburg nicht gut verteilt. Immer mehr Menschen finden keine Praxis am Wohnort, die sie aufnehmen kann. Die hausärztliche Versorgung muss in der Nähe sein, ohne lange Wege. Es hilft nichts, dass Hamburg rechnerisch als überversorgt gilt. Diese grobe Betrachtung wird dem wirklichen Bedarf nicht gerecht.

Sozial benachteiligte Menschen leben oft in engen und ungesunden Wohnverhältnissen, sind am Arbeitsplatz erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt, leiden oft an chronischen Krankheiten und nehmen Präventionsangebote weniger wahr. Die Krankheitslast ist in Hamburg ungleich verteilt. Das zeigt der Morbiditätsaltas von 2014 auf, den wir unbedingt aktualisieren sollten. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen Zulassungsbezirke nach dem Bedarf in den Stadtteilen festgelegt werden und dass die Niederlassung in unterversorgten Stadtteilen gezielt verbessert wird. 

Berlin macht es vor: Die Verteilung der Hausarztpraxen wird kleinräumiger erfasst, Planungsbezirke sind kleinteiliger festgelegt worden. Das zu übernehmen würde in Hamburg beispielweise bedeuten, dass eine Hausarztpraxis in Hamm oder Lurup nicht nach Blankenese oder Eppendorf verlegt werden kann. Dabei hat die Kassenärztliche Vereinigung bereits jetzt Steuerungsmöglichkeiten, und nimmt sie auch wahr und hat zum Beispiel verhindert, dass eine von Asklepios betriebene Hausarztpraxis in Lurup nach Volksdorf verlegt wurde. Diese Steuerungsmöglichkeit soll mit unserem Vorschlag noch weiter gestärkt werden.  

Aber dabei darf es nicht bleiben.  Die breite allgemeinmedizinische Versorgung scheitert daran, dass es zu wenig Ärzt*innen gibt, die sich als Hausärzt*innen niederlassen wollen.  Medizin ist weiblich geworden. Viele junge Kolleginnen wollen nicht in Vollzeit arbeiten und scheuen die finanziellen Risiken einer Niederlassung. Das Gleiche trifft oft auch auf viele männliche Kollegen zu. Die Zeit der Niederlassung fällt in die Zeit der Familiengründung. Da geht es um Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das alte Modell der Hausarztpraxis, in der eine Hausärztin oder ein Hausarzt rund um die Uhr und außerhalb der Sprechzeiten für Patientinnen erreichbar ist, ist nicht mehr attraktiv.

 Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin hat bereits andere Wege beschritten und eine GmbH gegründet, die Praxen in unterversorgten Stadtteilen betreiben wird. In diesen Praxen sollen Ärzt*innen angestellt werden, die sich zu einem späteren Zeitpunkt für eine Niederlassung entscheiden können. Die KV HH plant das ebenfalls. Die Gründung von Eigenbetrieben der KV HH ist der nächste Schritt, den wir gehen müssen, um eine Unterversorgung zu verhindern. Das werden wir unterstützen. Das wird der Inhalt eines weiteren Antrags sein, den wir hier in die Bürgerschaft einbringen werden. 

Wir müssen die Hausarztpraxen stärken. Wir brauchen eine gute medizinische Grundversorgung aller Menschen in Hamburg in allen Stadtteilen. Wir müssen der Entwicklung entgegensteuern, bei der  gewinnorientierte Krankenhauskonzerne und privat Equity Gesellschaften Teile der ambulanten medizinischen Versorgung, die Rendite bringen, übernehmen und bei der die Basisversorgung, die allgemeinmedizinische und kinderärztliche Versorgung wegbricht.  Diese Möglichkeit, zunächst angestellt arbeiten zu können, ist eine wichtige Brücke für viele junge Ärzt*innen. So können sie für den ambulanten Bereich und langfristig für eine Praxisübernahme gewonnen werden.

Eine weitere Stärkung der Versorgung in Stadtteilen mit höherem medizinischen Bedarf ist die gezielte Honorarverteilung. Krankenkassen und KV HH haben jetzt gemeinsam beschlossen, das   Budget in Bezirken mit besonders hoher sozialer Belastung für Kinderärzt*innen in Mitte, Harburg und Bergedorf zu erhöhen. Chronisch kranke und besonders psychisch belastete Kinder können zukünftig besser versorgt werden.

Die Coronapandemie hat Praxen zum Teil ans Limit gebracht. Ein großer Dank auch an die Medizinischen Fachangestellten, die den Laden am Laufen halten. Die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine stellt die ambulante medizinische Versorgung vor neue Herausforderung. Gesundheit ist ein Grundrecht.Wir werden alles dafür tun, dass die Praxen für die zusätzlichen Aufgaben gestärkt werden.

Vielen Dank!