Lokale Gesundheitszentren

Meine Rede in der Bürgerschaft am 20.10.2021

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer arm ist, hat schlechte Chancen auf gute Gesundheit und ein langes Leben. Das belegen inzwischen zahlreiche Studien.So ist nachweislich das Risiko für bestimmte Erkrankungen, wie z.B. Herzinfarkt, Diabetes mellitus und chronische Bronchitis, bei Armut erhöht. Armut kostet vielen Menschen die Gesundheit und mehrere Jahre Lebenszeit !Auch wenn Gesundheitspolitik Armut nicht verhindern kann, so kann sie doch die Folgen von Armut lindern.

Ein Blick auf Hamburgs Stadtteile und die Verteilung von Arztpraxen zeigt allerdings: Ärztinnen und Ärzte sind nicht unbedingt dort, wo sie am meisten gebraucht werden.

Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb vereinbart, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die ambulante ärztliche Versorgung dort zu stärken, wo sie am meisten gebraucht wird!

Aber wer wenig Geld hat und bereits chronisch krank ist, braucht meist noch mehr, als eine Arztpraxis. Wenn eine alleinerziehende Mutter viele Stunden täglich arbeitet, ist es ihr oft nicht möglich, dass sie ihre Kinder unter der Woche zum Sportverein bringt und für eine gesunde Ernährung sorgt. Wenn die Kinder übergewichtig werden, ist das auch eine Folge von Armut. Wenn die Selbstachtung eines Menschen nach Arbeitsplatzverlust auf dem Tiefpunkt ist und eine Alkoholsucht droht, dann müssen Fachleute aus der Suchthilfe schnell ansprechbar sein.

So ist die Idee der lokalen Gesundheitszentren zu verstehen: In interdisziplinären Zentren soll jede einzelne Person medizinische Versorgung und qualifizierte Beratung zur individuellen Lebenslage erhalten können.Ein gemeinnütziger Träger schließt mit mindestens einer Haus- oder Kinderarztpraxis eine Kooperationsvereinbarung und bietet zusätzlich Sozialberatung an – oder vermittelt zu anderen Stellen.

Die Praxen werden entlastet, weil alle Versorgungs- und Hilfsangebote im Quartier gezielt einbezogen werden: Wenn es um Pflege, Rehabilitation oder psychosoziale Beratung geht – aber auch mit Sportvereinen, Schulen und Kitas, Ernährungs- und Bewegungsangeboten soll ein Netzwerk entstehen. So gut es geht und an möglichst vielen Stellen mehrsprachig und interkulturell. 

Die Sozialbehörde fördert die Gründung von lokalen Gesundheitszentren mit 100.000 Euro jährlich bis zu 3 Jahre lang.  Die Poliklinik Veddel zeigt bereits erfolgreich, wie es gehen kann!

Aber trotz zahlreicher Initiativen in anderen Stadtteilen gestalten sich die Gründungen schwierig. Es fehlen die Ärztinnen und Ärzte für eine verbindliche Kooperation. Deshalb werben wir mit unserem Antrag für eine neue Offensive! Die Sozialbehörde wird bei der Rekrutierung von ärztlichem Personal für die Gesundheitszentren aktiv helfen. 

Wir wollen wir prüfen lassen, ob es in Hamburg möglich ist, kommunale Gesundheitszentren zu gründen. Modelle in dieser Richtung gibt es bereits in anderen Bundesländern in ländlichen Gebieten. Hausarztpraxen haben oft Schwierigkeiten, Nachfolge zu finden. Junge Ärztinnen und Ärzte schrecken oft vor dem finanziellen Risiko einer Niederlassung zurück oder möchten in Teilzeit arbeiten.

In Gesprächen mit der Kassenärztlichen Vereinigung soll geklärt werden wo Kooperation möglich ist. Dazu können Sonderzulassungen gehören oder die Möglichkeit, als Ärztin oder als Arzt zunächst im Angestelltenverhältnis zu arbeiten um sich später selbständig zu machen. Das kann und darf nicht in Konkurrenz zu anderen Praxen vor Ort passieren und muss selbstverständlich in Zusammenarbeit mit der KV HH erfolgen. 

Die Zusammenarbeit von Sozialbehörde mit der KV HH hat sich jetzt in der Corona Pandemie bei der Organisation des Impfzentrums und der mobilen Impfteams bewährt, da besteht eine gute und vertrauensvolle Basis.

Die Gründung von Lokalen Gesundheitszentren ist umso wichtiger, weil Gesundheitskonzerne wie Asklepios und Helios die ambulante medizinische Versorgung als lukrativen Markt für sich und als Zuweiser für ihre Kliniken entdeckt haben und gezielt versuchen, eigene MVZ zu gründen oder zu übernehmen. Diese sind jedoch nicht am Gemeinwohl, sondern am maximalen Gewinn orientiert.

 Gesundheit für alle ja – aber keine Medizin, die dem Profit dient und die Gesundheit am Ende unbezahlbar macht. 

Unser Ziel ist es, dass in jedem Hamburger Bezirk mindestens ein lokales Gesundheitszentrum entsteht – und zwar dort, wo es besonders gebraucht wird.

Vielen Dank.